Es war wirklich arschkalt. Aber Mikes Versprechungen waren keine Leeren… ich hatte noch 2 Grad im Auto beim Aufstehen und ich hab eigentlich gut geschlafen, mit ab und an aufwachen. Das war darin begründet, dass meine Nase einem Eisklotz glich. Die war eben nicht IM Schlafsack. Der Rest blieb schön warm. Bequem war’s doch einigermaßen. Ist halt ein 123er. Es gab dann erstmal heißen Kaffee zum Aufwärmen. Erster Einsatz für den Kocher. Auch der hatte mit der Kälte zu schaffen. Er funktionierte nicht wirklich. Es gab nur eine Lösung: Maschine starten, warm laufen lassen, Heizung auf Vollgas und Kocher drinnen aufwärmen, zumindest die Gaskartusche. Es gab also doch noch Kaffee.
Ich war also wieder einigermaßen auf Betriebstemperatur und ich machte los. Schnurstracks auf die kroatische Grenze zu. Die erste „richtige“ Grenze. Nicht nur einfach drüberfahren, Schild lesen „Slovenija“ und weiter, nein, noch richtig mit Passkontrollen. War aber kein Problem. Einfach Pass zeigen, und weiter. Grenzen, die noch vor mir liegen, werden sehr wahrscheinlich problematischer.
Der Schnee ging jetzt in Regen über. Auch nicht sehr toll. So rollte ich auf dem alten Autoput weiter gen Belgrad. Und plötzlich… Rumms! Was zur Hölle… Ich wollte doch nur nach ner Kippe die verdammte Scheibe wieder hochkurbeln. Sie hat es aber nicht geschafft. Dafür drehte die Fensterkurbel ohne Wirkung ihre Kreise, die Scheibe war ganz unten und der Markus am Fluchen. Denn der Regen hat nicht nachgelassen. Wasser gehört in den Kühler, nicht in die Fahrerkanzel, verdammt! Also wurde der nächste Parkplatz angefahren und die Scheibe notdürftig manuell wieder hochgedrückt. Irgendwie hielt die sogar nach der Aktion, also sparte ich mir den Aufwand, bei dem Sauwetter die Türverkleidung abzunehmen. Macht keinen Spaß. Und weiter…
Die Landschaft war sehr flach, wenig spektakulär, bis dann die ersten Höhenzüge von Bosnien auftauchten. Die Autobahn verläuft ein Stück weit fast auf der Grenze. Komisches Gefühl irgendwie. Vor noch nicht mal 20 Jahren sind hier noch Panzer gerollt... wahnsinn.
Es passierte nicht viel unterwegs. Bis dann die Scheibe links von mir mal wieder einen kleinen Ausreißversuch startete. Kleine Bodenwelle und RUMMS. Wieder unten. Es war trocken in dem Moment, aber natürlich wollte kein Parkplatz auftauchen. Als der dann auftauchte, fing es wieder an zu pissen. Ich hatte langsam das Gefühl, dass sich hier alles gegen mich verschworen hatte. Kann doch alles nicht wahr sein. Müde war ich auch schon wieder. Also beschloss ich, kurz die Augen zu zumachen. Aber erst noch die Scheibe manuell hochdrücken, sonst schifft’s ja rein. Die Gedanken kreisten so um mich rum… War es die richtige Entscheidung, alleine loszufahren? Sind das alles Zeichen, besser umzudrehen, so lange es noch im Rahmen der Entfernung liegt? Aber diese Gedanken schob ich ganz schnell beiseite, riss mich zusammen und dachte daran, dass ich sehr wahrscheinlich noch ganz andere Schwierigkeiten zu meistern haben werde. Ich durfte mich also nicht so anstellen.
Als ich wieder erwachte, regnete es natürlich immer noch. Ich stieg aus, checkte kurz die Scheibe und beschloss, weiter zu fahren. In dem Moment kam eine fette Karre an, Kennzeichen Barcelona. Ein Herr stieg aus, fragte mich irgendein Kauderwelsch aus tsch-Lauten, von dem ich nur „Beograd“ verstand. Ich sagte auf Spanisch, dass wir gern spanisch sprechen könnten. Ich ging schließlich davon aus, dass er dem mächtig wäre, mit dem Kennzeichen… So war es auch. Er freute sich, dass wir eine gemeinsame Basis fanden und die Frage entwirrte sich so gleich. Er wollte nur wissen, ob es da, gradeaus, nach Belgrad ginge. Das hat sich vorhin irgendwie dramatischer angehört. Nun gut, ich bejahte und er brauste davon. Von mir aus… ich fuhr ebenso wieder auf den Autoput und es wurde schon wieder dunkel.
Dann kam die serbische Grenze, die ich mit Spannung erwartete, denn da hab ich noch nicht viel Gutes gehört. Sehr penibel, unfreundlich, schikanös etc. soll es da zugehen. Und ich hab ja immer noch die verschleppte Bindehautreizung mit knallroten Augen. Die werden mich bestimmt von oben bis unten filzen, dachte ich bei mir.
Das einzige, was von alledem zutraf, war: unfreundlich. Aber sind wir ehrlich... der deutsche Zoellner schaut dich auch nur mit dem Arsch an, wenn du von der Schweiz kommst... die sind halt so, diese Beamten. Muss an der Uniform liegen... Auf jeden Fall war alles korrekt, grüne Versicherungskarte wurde noch verlangt aber nicht mal EIN Blick ins Auto, geschweige denn Kofferraum wurde gewagt. Ruckzuck war ich drüben in Serbien. Gleich nach der Grenze waren die üblichen Einrichtungen zum Geld wechseln etc. Ein paar Dinar sollten es schon sein. Sprit ist deutlich billiger und die Maut sollte in Landeswährung bezahlt werden, da sonst auch getrickst wird. Also wurde gewechselt und getankt. Weiter mit Marschgeschwindigkeit 105km/h, nach Belgrad. Da geht‘s dann auf der Stadtautobahn durch. Tolle Stadt muss ich sagen... da verschmilzt die sowjetische Nostalgie mit der Moderne... sehr interessant, zumindest das, was von der Autobahn aus zu sehen war. Auch die Fahrweise war mehr als angenehm. Erinnert schon mehr an die Türkei als an Europa. Hat Spaß gemacht. Das mit der sogenannten „Mautabzocke“ ist übrigens auch Bullshit. An einer Mautstelle wollte die Euro haben, das war umgerechnet dann exakt der Dinarpreis. Wieder ein negativer Aspekt Serbiens ausgeräumt... Von diesem Land habe ich bis jetzt einen überaus positiven Eindruck.
Unterwegs richtung Nis hab ich noch getankt und gegessen. Da hab ich 2 Serben aus Deutschland getroffen, die Schneeräumfahrzeuge nach Serbien schaffen. Ganz interessiert wurde mein Blauer beäugt. Wo es denn hingehen solle. Nach Dubai oder so… schauen wir mal. Sie meinten nur, das wäre ja mit dem Auto kein Problem. Ob ich nicht verkaufen wolle? Klare Antwort: NEIN! Mit einem Grinsen im Gesicht fuhren die beiden weiter. Beim Essen wurde ich angesprochen, ob das da draußen mein Benz sei. Ich bejahte. Er erzählte mir, wie toll und zuverlässig die Autos sind. Er selbst hätte auch einen. Ob ich den mal sehen möchte? Klar, gerne… Nettes Geplauder hier und da… nette Menschen diese Serben! Alles, was mir zuvor so ein Horrorbild vermittelt hat, ist weg. Da kann man mal sehen. Selber hinfahren, Erfahrungen machen und sich so ein Urteil bilden, das ist das gescheiteste. Das Essen war auch sehr lecker. Schön würzig… typisch Balkan.
Es wurde dann langsam auch schon Schlafenszeit, als ich die Landstraße bei Nis in richtung Bulgarien nahm. Die Landschaft muss toll sein hier, schade, dass es schon dunkel war. Im Dunklen waren nur die eindrucksvollen Felsen rechts und links der Straße zu erahnen. Ich machte mich auf, einen Nachtplatz zu finden.
Das war kein leichtes Unterfangen, hier in den Bergen. Und immer wieder Dörfer… Irgendwann fand ich einen Parkplatz, der recht groß war. Da konnte ich mich in die äußerste Ecke platzieren, ohne gleich im Scheinwerferlicht des Verkehrs aufzutauchen. Zudem dachte ich mir, dass aufgrund der Kurven die Konzentration sowieso auf der Straße liegen muss. Ich richtete also mein Nachtlager her und sagte Gute Nacht. Für alle Fälle war das Jagdmesser in Griffnähe.